Versagen des Rechtsstaats in Sachsen? Ignoranz und Unkenntnis bei der Polizeitaktik? Ist Frau Merkel am allen Schild? Rechtsextreme, faschistische Äußerungen und Vorgehensweisen, Mitläufer und Nutznießer – wie konnte dieser Nährboden entstehen? Viele Fragen und zu den Geschehnissen in Chemnitz.
Vollkommen zurecht spricht Zeit-Online von einem „illiberalen Staat ungarischen Zuschnitts als Leitstern, der die kritische Öffentlichkeit bekämpft und den Mob ermächtigt“ und einem „Versagen von Politik wie Exekutive. Er entsteht in Dresden wie in Chemnitz.“ Es ist bekannt, dass Rechtsextreme Kader, Hooligans, Rechtsextreme und andere faschistische Gruppierungen in einem Netzwerk verwoben sind, siehe die HoSeGa Demonstrationen in Köln. Die äußert heikle und aufgehetzte Lage in Chemnitz derart zu unterschätzen und allem Anschein nach gebilligt durch den Ministerpräsidenten und den Innenminister mit einem derart unterbesetzten polizeilichen Aufgebot vor Ort zu sein, beschreibt das Versagen des rechtsstaatlichen Apparats in Sachsen. Hitlergrüße, im Sinne des Grundgesetzes äußerst fragwürdige skandierte Sprechchöre, verfolgungsähnliche Vorkommnisse in der Nacht, gewalttätige Ausschreitungen und die offene Abgrenzung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie der Missbrauch der urdemokratischen Nationalfarben schwarz-rot-gold. Das alles bleibt ungeahnt. Diese unsägliche Reaktion auf eine schreckliche Straftat, welche selbstverständlich Schlussfolgerungen und rechtliche Folge nach sich ziehen muss, kann nicht im Sinne des Volkes sein.
Herr Kubicki hat sich zuletzt zur Äußerung hinreissen lassen, dass Frau Merkel mit Ihrer Aussage „Wir schaffen das.“ eine wesentliche Mitschuld an der jetzigen Situation haben würde. Vollkommen zurecht widerspricht Ria Schröder, Vorsitzende der Jungen Liberalen, Kubicki in der Sache. Merkels Entscheidung Menschen, welche sich in großer Not und vor dem Nichts befunden haben, ist und bleibt aus humanitären Gesichtspunkten die richtige Entscheidung. Womit viele Kritiker einen berechtigten Anhaltspunkt vertreten und logischen Auslöser solcher Gewaltexzesse sehen, ist die Tatsache, dass insbesondere die Sturheit und Untätigkeit von Verantwortlichen im Bereich der Lenkung der nationalen Migrations- und Integrationspolitik.
Zudem die mehr als deutliche Ignoranz zu vieler politischen Akteure gegenüber den „Besorgten“ in diesem Land. Die im Spiegel-Online-Kolumnenbeitrag beschriebenen Faktoren predigen ich und andere schon länger. Man muss die absolut berechtigten Sorgen, Ängste, Befürchtungen und Meinungen der Menschen in diesem Land wieder ernster nehmen! Das bezieht sich nicht nur auf dieses Politikfeld. Die Verrohung der politischen Sprache, die Schnelllebigkeit von Meinungen und Inhalten, das unpolitische Rumgeschwurbel von tragenden Politikakteuren, verkappte und verknappte Berichterstattungen – die Liste ließe sich fortführen. All diese und viele weitere Faktoren führen dazu, dass sich insbesondere Menschen in ostdeutschen Bundesländern zunehmend abgehängt fühlen. Dieser Nährboden für die populistischen und radikalen Kräfte hat sich in den letzten Tagen in Chemnitz und zuvor an anderen Orten entladen. Man muss diesen Kräften entgegen treten und sich in diesem Zuge selbstkritisch fragen, wie es zu diesen massiven Ausschreitungen kommen konnte. „Wir werden sie jagen, wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen, und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ – so Alexander Gauland zu Beginn dieser Amtsperiode des Deutschen Bundestages. Von vielen kritisiert, von vielen verurteilt – aber eine wirkliche politische Konsequenz aus diesen Aussagen, insb. in Ostdeutschland, vermisse ich bis heute.
Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ist weltweit anerkannt, sie zu schützen und anzuwenden, ist die Aufgabe aller demokratischen Parteien und Institutionen. Gerade in diesen unruhigen Zeiten lohnt es sich für die demokratische Vielfalt, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit einzutreten. Kein Fußbreit den Populisten, Extremisten und Faschisten – ABER keine Vorverurteilung von Besorgten. Vor allen demokratischen Kräften liegt ein langer und beschwerlicher Weg. Ein bisschen mehr Ehrlichkeit, vertrauensvolle Aussagen und aktive politische Maßnahmen vor Ort sind hierbei mit Sicherheit gute Wegbereiter!
Hierzu gehören auch gesellschaftspolitische Signale, die wie hier künstlerische Kollektive setzen müssen: #wirsindmehr #gegenhalten

Lesenswerte Links zum Thema:
https://www.zeit.de/kultur/2018-08/rechtsextremismus-dresden-pegida-demonstrant-chemnitz-aufmaersche