Ärger in der Kindertagespflege

Am 01.12.2020 versammelten sich Kindertagespflegepersonen aus Neumünster in einer friedlichen Mahnwache vor dem Rathaus, um im Jugendhilfeausschuss für bessere Arbeitsbedingungen zu werben. Die Verwaltung weist die Forderungen zurück. Sind die Proteste berechtigt?

Bild: colourbox

Ein Kommentar von Jeannie Kubon (JUSOS Neumünster)


Artikel aus dem Holsteinischen Courier vom 03.12.2020 Bild: shz/Gunda Meyer

Nicht erst jetzt werden Rufe nach besseren Bedingungen für die Kindertagespflege laut. Bereits im Sommer 2019 äußerte sich der Verein Qua.Ki, in dem sich Tagesmütter und -väter zusammengeschlossen haben, besorgt über die vom Land beschlossene Kita-Reform. Schlechtere Bezahlung und Qualitätseinbußen bei der Betreuung wurden befürchtet.
Gespräche mit Stadt und Land, sowie Infoveranstaltungen sollten die Zweifel ausräumen, waren aber nur eingeschränkt erfolgreich.

Nun finden wir uns in einer etwas unübersichtlichen und vielleicht verfahrenen Situation wieder: Die Beschlüsse zur Kitareform in Neumünster sind bereits verabschiedet, sie sollen zum 01.01.2020 in Gänze in Kraft treten. Beschlüsse, denen Beratungen und Gespräche vorausgegangen sind und die vermeintlich von den Kindertagespflegepersonen abgesegnet wurden. Der Vorstand von Qua.Ki war nach Aussage der Verwaltung am Prozess beteiligt. Doch offensichtlich ist hier einiges in der Kommunikation schief gelaufen. Mittlerweile hat der Verein mangels Vorstandsnachfolge die Auflösung beschlossen. Die (Noch-)Mitglieder sind gespalten.

Als Freie Interessengruppe versucht nun ein Zusammenschluss von Tagespflegepersonen, ein Umdenken der Verwaltung und der Politik anzustoßen und bessere Arbeitsbedingungen zu erwirken.
Die zentralen Forderungen betreffen dabei die Bezahlung und die Regelungen zu Urlaubs- und Krankheitstagen. Die neue Regelung sieht vor, dass aus den laufenden Bezügen Rücklagen für 50 Tage Urlaub und Krankheit geschaffen werden müssen. Die Stadt verweist darauf, dass die Tagesmütter und -väter selbstständig seien und daher kein Anrecht auf Bezahlung für diese Tage hätten.

Leider ist es aber nicht ganz so einfach: Kindertagespflegepersonen sind formal selbstständig, doch die Realität sieht anders aus. Zwar schließen diese die Betreuungsverträge mit den Eltern, sind aber de facto abhängig von der Stadt Neumünster und den Vorgaben des Landes. Diese geben die Rahmenbedingungen vor, an die sich alle Kindertagespflegepersonen halten müssen. Zusatzbeiträge, sind zum Beispiel nicht gestattet. Die Eltern zahlen ihre Beiträge an die Stadt, diese vergütet dann die Fachkräfte. In der freien Wirtschaft können Selbstständige ihre Preise frei bestimmen, nach Angebot und Nachfrage gestalten. Diese Möglichkeit haben die Kindertagespflegepersonen nicht.

Ein weiterer Streitpunkt: Die Reduzierung der Sachkostenpauschale. Die Verwaltung verweist darauf, dass im Gegenzug Betreuungsvergütung pro Kind angehoben wurde. Diese Argumentation verkennt jedoch wichtige Aspekte: Nach Berichten einiger Kindertagespflegepersonen macht macht es steurlich einen Unterschied, ob Einkommen aus der Sachkostenpauschale oder aus der Betreuung generiert werden. Unterm Strich steigt also im Zweifel die Steuerlast und mindert somit die Erhöhung der Vergütung.

Ein Buch oder neue Bauklötze kosten übrigens immer gleich viel, egal wie viele Kinder gerade betreut werden.

Dies sind nur zwei Beispiele, die aber deutlich machen: Die Situation ist komplex und nicht so einfach, wie die Verwaltung es darstellt. Meiner Ansicht nach ist ein generelles Neudenken der Kindertagespflege notwendig. Nicht nur auf kommunaler Ebene.

Warum können die Betreuungskräfte nicht von der Stadt angestellt werden? Wieso wird die Kindertagespflege immer separat von der Betreuung in Kindertagesstätten betrachtet?

Vor allem ist es wichtig, dass es für die Kindertagespflege eine Möglichkeit gibt, sich gemeinsam für Interessen einzusetzen. Es fehlt an einer zentral organisierten Lobbyvertretung. Der Status der Selbstständigkeit begünstigt diesen Umstand noch. Die Auflösung des Vereins Qua.Ki ist dabei leider ein Rückschlag. Es ist nun Aufgabe der Politik und der Verwaltung zu zu hören und aktiv zu werden.

Insbesondere für die U3-Betreuung stellt die Kindertagespflege eine wichtige Säule dar, die es zu stärken und nicht zu schwächen gilt. Den Fokus allein auf Kindertagesstätten zu legen, lässt die individuellen Bedürfnisse von Kindern, Eltern und Betreuungskräften außen vor. Es gilt den Gesamtblick zu schärfen und alle miteinzubeziehen, statt sie gegeneinander auszuspielen.


Update: 04.12.2020

Der Artikel wurde überarbeitet, da die ursprüngliche Formulierung implizierte, dass sich der Verein Qua.Ki aufgrund von Meinungsunterschieden zur Kita-Reform aufgelöst hätte. Nach Aussage der bisherigen Vorsitzenden des Vereins ist der Grund für die Auflösung, dass keine Nachfolge für den ausscheidenden Vorstand gefunden werden konnte.


Jeannie Kubon

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